Was kann an dieser lieben Nonne gefährlich sein? – Dass sie Jesus Christus nachfolgt. Sie sagt: “Ich habe mir vorgestellt, dass Jesus das auch so gemacht hätte, um Menschen zu helfen, die Schutz suchen.”
Die Auswirkungen ihres Tuns sind noch gar nicht absehbar.
Am 27. Juli 2020 teilte ihr das Amtsgericht Bamberg brieflich mit, dass sie aufgrund von drei Fällen gewährtem Kirchenasyl für Flüchtlinge mit einer hohen Freiheitsstrafe rechnen müsse, wenn sie ihr illegales Treiben nicht sofort beende und die bereits geforderten Strafzahlungen weiter verweigere.
Diese “drei Fälle” (es geht um eine Kurdin, die nach Rumänien abgeschoben werden soll und Angst vor den Zuständen in den dortigen Lagern hat, um eine Nigerianerin, die gefoltert, mehrfach vergewaltigt und mit AIDS infiziert wurde und um eine Somalierin, die im italienischen Auffanglager von ihrem Mann getrennt und danach mehrfach vergewaltigt wurde (mehr dazu in diesem Interview mit M. Thürmer)) sind nicht die einzigen, in denen die Äbtissin Flüchtlingen Kirchenasyl gewährte. Insgesamt beherbergte ihr Kloster schon mehr als 30 Flüchtlinge.
Doch erst in jüngster Zeit (2018) wurde die Asylgesetzgebung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verschärft, besonders im Hinblick auf das Kirchenasyl. Während in früheren Jahren der Staat die wenigen Fälle von Kirchenasyl für Flüchtlinge in aller Stille duldete, obwohl es kein Gesetz gibt, das ihn daran hindert, in Kirchen Razzien durchzuführen, und im Jahr 2015 sogar eine Vereinbarung zwischen den Landeskirchen und dem BAMF getroffen wurde, sieht es in letzter Zeit wieder rauer aus. Seit Horst Seehofer Innenminister ist, wird versucht, das Kirchenasyl komplett auszuhebeln.
Das Argument der Juristen sieht so aus: Die wenigsten Flüchtlinge sind direkt nach Deutschland geflüchtet, sondern in Griechenland, Italien oder anderen EU-Randstaaten gelandet. Nach dem Dublin-Abkommen von 1990 können Flüchtlinge, die innerhalb der EU weitergeflüchtet sind, wieder zurück in die EU-Länder abgeschoben werden, in denen sie zuerst ankamen. Mit dem Argument, dass dort ja rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen würden, sieht das BAMF keine Menschenrechtsverletzungen und auch keine Härtefälle, die ein Kirchenasyl rechtfertigen würden.
Mechthild Thürmer bestreitet diese Advokatenlogik und verweist auf die leidvollen Erfahrungen ihrer Kirchenasylantinnen: In der Praxis herrschen in den überfüllten Lagern in Italien und Südosteuropa schlimme Verhältnisse, insbesondere für Frauen. Ihre Schützlinge sind keine Straftäterinnen, wie das BAMF sie sieht, sondern Opfer. Die Behörde verfolgt in erster Linie politische Ziele (so viele Flüchtlinge wie möglich aus Deutschland loszuwerden) und achtet nur dann auf Menschlichkeit, wenn formaljuristisch kein anderer Ausweg besteht.
Dagegen steht Mechthild Thürmers schlichtes “Ich habe Menschen in Not geholfen. Das kann nicht strafbar sein.”
Und genau aufgrund dieser Einstellung wird sie jetzt von den Bamberger Juristen zur Staatsfeindin erklärt. Denn ihnen geht es ums Prinzip (der Abschaffung des Kirchenasyls), und darum muss die Äbtissin zum Einknicken gebracht werden. Doch die Ordensfrau sagt: „Es geht um Menschenleben, um die Zukunft junger Menschen“ Diese könne sie im konkreten Fall nicht opfern, nur weil sie selbst sich in einer juristischen Auseinandersetzung befinde. „Das ist doch kein Schachspiel.“ – “Aber selbst wenn ich verurteilt werde, ich habe das Richtige getan”, sagt sie. Dann ergänzt sie mit fränkischem Zungenschlag: “Ich bin doch kein Fähnla im Wind!”
Es sieht so aus, als würde es zum Verfahren gegen sie kommen: Welcher Jurist aber wird es wagen, gegen die schlichte Menschlichkeit der Äbtissen den “Richter gnadenlos” zu geben, der die faule, flüchtlingsfeindliche Gesetzgebung der letzten Jahre als Ausdruck unsers sozialen Rechtsstaates verteidigt? Es wird sicher Demonstrationen und Auseinandersetzungen geben zwischen denen, die Humanität und Mitmenschlichkeit verteidigen und denen, die “Ausländer raus” skandieren.
Ich wäre beim Bamberger Amtsgericht äußerst vorsichtig damit, eine solche Polarisierung heraufzubeschwören. Denn Mutter Mechthild ist gefährlich: Sie kann nicht anders.